6
Jun
2011

Braindead

Ich war letzte Woche in Singapur um diesen Prof für Membran Technologie zu treffen. Der Plan war, dass mich ein Kenny, mit dem ich schon mehrmals telefoniert hatte, aus dem SCHOTT Büro um 10 Uhr in der Lobby des Traders Hotels abholt. Da ich am Abend zuvor mit einem alten Freund aus Backlight Zeiten bis 3:00 beim "Dinnieren" war, fühlte ich mich morgens was wackelig auf den Beinen. Aber ich habe es pünktlich geschafft, stand also etwas verpeilt, mit Sonnenbrille und Anzug pünktlich in der Lobby. Um fünf nach 10 steuert ein Asiat auf mich zu, streckt mir die Hand entgegen, freut sich mich zu sehen, legt freundschaftlich den Arm um mich, entschuldigt sich für die Verspätung und bugsiert mich nett aber bestimmt auf sein Auto zu, welches direkt vor dem Hotelaufgang geparkt war. Ich schmeiß meine Klamotten ins Auto, Koffer hinten in den Kofferraum und los geht’s. Auf dem Armaturenbett klebt ein Darth Vader Püppchen und man hat sofort ein Thema für Smalltalk. Nach etwa 5 km klingelt mein Telefon:
„Hi, here is Kenny. Where are you Folker?“
Ich: „I am sitting in your car (bloody moron…)“.
Kenny:” No you’re not, because I’m at the hotel lobby”.
???
Ich schau den netten Kerl neben mir an und frage ihn:
”You’re not Kenny from SCHOTT?“
Er: „Nope“
Ich: “OK. You picked up the wrong guy. Let’s head back to the hotel!”
Har, har. Selten So gelacht
Zurück am Hotel wurde es dann hektisch. Kenny hat schon gewartet, der andere Typ, den mein Fahrer hätte auflesen sollen wartete auch schon. Übrigens ein Doppelgänger. Däne. Groß. Glatze...
Heftiges feixen, Händeschütteln usw…
Jetzt sind wir natürlich schon etwas spät dran und Kenny und ich gehen im Auto das anstehende Meeting durch. Kurz vor der Uni brauche ich meinen Computer, weil ich in einer Präsentation noch was nachsehen will. Kacke. Kacke! Kacke!!! Mein Rucksack (mit Computer, Pässen, Kreditkarten) liegt noch auf dem Rücksitz des anderen Autos.
Ich:“Fuck Kenny. I am in deep shit…“
Ok. Was soll’s…nur noch 15 min bis zum Meeting mit Prof Chen. Es fängt an zu regnen, wir finden keinen Parkplatz. Ich sage zu Kenny, dass ich nicht zu spät kommen will. Er soll also einen Parkplatz finden während ich mich schon mal mit dem Prof treffe. Die NUS (National University of Singapore) ist ein gigantisches Labyrinth. Extra so angelegt um Studentenprotesten keinen Platz für Versammlungen zu bieten. Ich schaffe es gerade noch mit durchgeschwitztem Hemd in sein Kabuff. Er schaut mich entgeistert and und schickt mich erst mal mit zwei Studenten auf Labtour. Kenny ist natürlich irgendwo auf dem Campus verschollen.

45 min Labtour. Prof Chen hat 45 Mio US$ Budget um die Ressourcenprobleme seins Inselstaates zu lösen (Wasser, Energie, Pharma). Pretty impressive. Als ich Ihren Positronen Annihilator gesehen habe war es um mich geschehen. Menschen wie ich empfinden bei der Möglichkeit, Porengröße mittels annihilierender Materie zu messen sexuelle Erregung.

Danach dann das eigentliche Meeting mit Prof Chen. Kenny war inzwischen aufgetaucht. Wir brachten unsere Besprechen zu Ende und ich konnte mich auf meine Pässe konzentrieren. Das Gute, ich war mir sicher ich krieg sie wieder. In Singapure werden Diebe mit dem Rohrstock verprügelt (so genanntes caning) aber ich war etwas unter Zeitdruck, da mein Flug um 17:00 Uhr nachmittags angesetzt war. Also zurück zum Hotel. In Singapur hängen überall Kameras, auch vor dem Hotel. Kurze Anfrage nach dem Hotelmanager und 15 min später war eine ganze Armada mit meinem „Fall“ beschäftigt. Als sie gehört hatten, dass meine Pässe ebenfalls in dem Rucksack waren, mit doppeltem Eifer, denn ohne Pass in Singapure ist wohl wie unbeschnitten in Afghanistan…
Auf den Aufnahmen der Sicherheitsüberwachungskamera konnte man deutlich den Gast des Hotels erkennen der nach mir in das Auto gestiegen ist. Über das Hotel hatten wir seine Telefonnummer und dann schließlich den Fahrer. Erst als wir ihn angerufen haben hat er wohl gemerkt, dass er meine Tasche spazieren fährt. 20 min später war er wieder am Hotel und hat mir die Tasche übergeben.
Supi!
Also ab ins nächste Taxi zum Flughafen. Ich hatte noch 75 min Zeit. Eigentlich genug, wenn der Taxifahrer nicht ein großer Simon and Garfunkel Fan gewesen wäre (Ich hasse diese beiden Mädchen wirklich von Herzen), die beiden Softies gerade im Radio liefen und er in einer lebhaften Diskussion mit mir über die Qualität dieser Schnulzen die Ausfahrt am Freeway verpasst hätte! Ich hab’s dann noch geschafft, aber nur noch nach „Closing flight“ rumgezeter und express immigration procedure, usw…
So. Jetzt sollte man ja denken, dass der Mensch ein lernfähiges Wesen wäre aber leider ist diese Geschichte hier noch nicht zu ende.
Einen Tag später sitze ich in Schanghai im Büro an der Hongmei Road. In 30 min will ich mich mit Andrea und den Kids an der Hong mei Lu Pedestrian Street treffen. Wie immer ein bisschen zu spät, entscheide ich mich ein Taxi für die 2km zu nehmen. Am Zielort angekommen, springe ich aus den Taxi, zahle, greif mir meine beiden Söhne UND LASS MEINE SCHEISS TASCHE WIEDER IM AUTO LIEGEN.
Unfassbar. In Shanghai, im Taxi, kein Beleg, meine Tasche, Pässe, Laptop, Arbeit aus 4 Jahren, Kreditkarten, Bose Headphones, Sonnenbrille, ALLES…
AAARRRGGGHHHH!!!!
Die Chance den Krempel wieder zubekommen unter 0.
Sofort die Taxizentrale angerufen.
Loop1
Ich „I left my bag in one of your taxis“
Operator: “Zhong shon gong?“
Ich:“ May I speak English?“
Operator:” Do you have the receipt?”
Ich :”No”
Operator: “Oh…………………………I am sorry.”
Operator: ”Which colour, the taxi?”
Ich: “green, bluish metallic”
Operator: “??”. “Call 63487632445”
Ich:” What, I have nothing to write down”
Operator: “Call 63487632445”
Ich wähle 6348763??45
Frau: : “Wei, zhen shen whin?“
Ich, Ok war wohl falsch
Loop 2
Loop 3
Loop 4
...
Nach 45 min aufgegeben…Scheiße….Mein Leben zu Ende. Computer weg. Pässe weg. Kreditkarten sperren….Wie geht das überhaupt? Die Nummern waren auch im Rucksack…Arbeitserlaubnis weg…KACKE…
Telefon Klingelt…
Mann: “Zhan when ding?“. DER TAXIFAHRER! Aber wie kommunizieren?
Ich greif mir den nächsten Kellner und zwing ihn ans Telefon. Nach längerem Gespräch stellt sich heraus, dass ich möglichwerweise den einzigen, liebenswürdigen, genialen, ehrlichen Taxifahrer Shanghais meine Tasche anvertraut habe, er darin meine Arbeitserlaubnis gefunden hat, in der meine Adresse steht, dort vorbeigefahren ist, mich nicht angetroffen hat, tiefer gegraben hat, meine Businesskarten gefunden und mich dann schließlich angerufen hat.
Nochmal unfassbar!
Ich geh morgen in den Jing An Tempel und zünde 500 Räucherstäbchen an….

8
Feb
2011

Straßenschlachten

Straßenschlachten,
Ich hab mich schon durch so einige Städte in einigen Ländern auf einigen Kontinenten per Rad, Taxi, Mofette oder Auto gekämpft. Aber der Verkehr in Shanghai hat schon einen besonderen Touch. Hier interagieren Generationen, Charaktere und Kulturen wie bei kaum einer anderen Aktivität in der Stadt. Grundsätzlich gilt folgende Hierarchie die Vorfahrt betreffend: Zuerst der schwarze Audi A6L. Den fährt der Parteifunktionär. Hier hat sich Audi offenbar ein Eigentor geschossen, denn da die als korrupt geltenden Politiker Audi den Zuschlag gegeben haben ist die Marke hier bei den Shanghaiern anrüchig. Dann die Taxis. Die verzweifelten, meist völlig übermüdeten Desperados, die in Ihren allgegenwärtigen VW Santanas jagt auf unschuldige Fahrgäste machen. Es folgen Rolls, Bentleys, Lambos oder Porsches. Die Wirtschaftselite und Neureiche. Beste Beziehungen zu den A6 Fahrern, legt man sich besser nicht mit an. Zum Schluss, der ganze Rest vom Peugeot bis zum Drahtesel. In absteigender Gewichtsklasse versteht sich. Absolut wichtig: Immer Hupen, auch wenn es völlig sinnfrei erscheint. So zum Beispiel wenn man die auf grün springende Ampel kaum in der Ferne erblicken kann, der Vordermann aber noch nicht 3 Sekunden später anfährt. Bei der Schuldfrage gilt auch nur eine Regel: Der Stärkere ist immer schuld! Übrigens auch wenn ein von der nächtlichen Arbeit als Salzsäule in einem Bürogebäude völlig verplanter Wachmann seinen Roller in das Heck eines an einer roten Ampel wartenden Autos steckt.
Es hindert aber leider auch die Busfahrer nicht daran, 500m vor jeder Ampel die Hand aufs Horn zu legen und mit ungebremster Wucht durch den heterogenen Pulk von Fußgängern, Radlern, Gemüsekarren, Dreirad fahrenden Wasserhändlern oder völlig verschreckten Touristen zu toben. Auffällig ist auch die totale Todesverachtung der Großväter, die Geistern gleich, Kippe kauend auf einem museumsreifen Klappfahrad, geisterfahrend, unbeleuchtet und des Nächtens bei Nebel auf einer vierspurigen Freeway urplötzlich im Lichtkegel der LKWfahrer erscheinen. Bei genauerem Hinsehen kann man beobachten, wie sie von den Sechsachsern russischer Vorkriegsbauart zuerst angesaugt und dann auf halber Höhe von der Bugwelle wieder abgestoßen werden. Wild schlackernd bei dem Versuch das Gleichgewicht wieder herzustellen wird noch schnell die Einkaufstüte am Lenker geradegezogen und das Käppi zurechtgerückt. Weiter geht’s bis zur nächsten Turbulenz. Die Überquerung einer vielbefahrenen Kreuzung an einer (grünen) Ampel lässt sich vielleicht am Besten mit einer Szene aus „Ein Platz für Tiere“ mit Prof. Grzimek (die Älteren erinnern sich) beschreiben.
Scheu drückt sich eine Menge possierlicher Fußgänger an der Straßenseite zusammen. Ist die Gruppe groß genug versuchen die jungen, mutigen Männchen, unabhängig jeglicher Ampelphase vorsichtig als erstes den Fuß auf die Fahrbahn zu setzten. Die Gruppe folgt im Pulk. Plötzlich schießen aus dem nichts mit neuster Stealthtechnik ausgerüsteter Elektoroller in die Menge, natürlich von allen Seiten, versucht die Kranken und Alten von der Familie zu trennen. Eng aneinander gedrückt versucht sich die Gruppe zu schützen, doch traurig, eine Silberrücken mit Gehhilfe bleibt zurück und endet als Schmierfleck unter einem der Jäger. Erlegt.
Die Elektroroller sind hier sowieso eine absolute Seuche da völlig geräusch- und beleuchtungslos. Ich weiß nicht wie oft mir schon so ein Zigarettenbürscherl im vorbeibrettern den Scheitel von links auf rechts geföhnt hat. Da bleibt eigentlich nur noch Ihm ein „Fuck“ oder „Ich tret’ Dir Deinen kleinen gelben (sorry) Arsch aus der Hose Du Wicht“ hinterher zu brüllen. Wie das wohl auf Chinesisch heißt? Wahrscheinlich „Ich Bein vorstrecken treffen langen gelben Rücken zum fallen aus Beinkleid kleiner Mann“ Klingt Irgendwie uncool würde mein Sohn sagen...

24
Sep
2010

Achterbahn

Zur Zeit ist ja mal wieder Oktoberfest in München. Da kommen natürlich sofort die Erinnerungen hoch, wie man als kleiner Junge der ersten Fahrt auf der dreier Loopingbahn entgegengefiebert hat oder wie sich das Gerücht verbreitete, dass sie diesmal, oh Gott, vielleicht eine Fünfer-Looping aufbauen. Aber heute kann ich sagen, alles Pillepalle. Was der Rollercoasterfreak heute braucht, ist die kleine aber feine Anlage im Century Park in Shanghai. Auf den Orientierungstafeln im Park als Kinderspielplatz getarnt entpuppt sich das vermeintliche Freizeitvergnügen als der Horrorklassiker Nummer eins eines jeden Elternpaares. Kettenkarussel, Frauenauto (Scooter) fahren, Eisverkauf und Zuckerwatte. Alles was man eigentlich nicht braucht wenn man mit seinen Kindern einen entspannten Nachmittag im Park verbringen wollte. Das Einzige was auch den Papa interessierte, war eine kleine gelbe Achterbahn „Pinball“ genannt.

pinball

Das einzige Gerät übrigens, mit dem kein Chinese fahren wollte. Das hätte mich stutzig werden lassen müssen. Aber im jugendlichen Leichtsinn gefangen und weil Niels mir mit „fahren, fahren, fahren“ im Ohr hing kauften wir uns also zwei Tickets a 2 Euro und pflanzten uns sofort in den ersten Wagen. Schon als mir die zwei freundlichen Schiffschaukelbremser aus der Mongolei den fransigen, papierdünnen, grauen Trabbi-Sicherheitsgurt umlegten, kamen mir die ersten Zweifel der Sinnhaftigkeit des Unterfangens. Warum kommt das Aufbaupersonal in Vergnügungsparks eigentlich immer aus Niedriglohnländern, obwohl doch gerade hier ein Vertrauen in funktionieren Technik essentiell zu sein scheint? Es fielen sofort zwei Dinge auf. Erstens, der hochprofessionelle Prallschutz für Knie und Unterschenkel aus mit Gaffaband umwickelten Schaumsoff und dass die Transportkette trotz leidlicher Schmierung ganz ordentlichen Lochfraß aufwies. Ich denke die Bude hier hatte die letzte technische Abnahme 1972 auf dem Bartelmarkt in Oberstimm.
Bis heute hat sich das wissende Grinsen des Personals in mein Stammhirn gebrannt, als es auch schon ruckartig los ging. Rasselnd wurden der völlig verstummte Niels und sein verkrampft dreinschauender Vater die 20 Meter nach oben gezogen.

Achterbahn

Oben angekommen offenbarte die Bahn ihre wahre, hässliche Fratze. Die einzelnen Kabinen sind nämlich noch frei drehbar. Sofort habe ich über Trägheitsmomente und ungleiche Massenverteilungen nachgedacht. Ich hab schon so einiges an Achterbahnen erlebt, aber die folgenden 45 Sekunden habe ich nur gebetet, dass das Drehlager unter meinen 95kg nicht nachgibt.
Die Krönung war noch die völlig abrupte Bremsung am Ende der Fahrt, die einen mit -12g in die Fanggurte schleudert. So muss sich ein Starfighterpilot fühlen, wenn er die Kanzel abgesprengt hat und den roten Knopf drückt.
Ein kleiner Seitenblick nach rechts verrät mir, dass mein Junge einen leichten Silberblick aufgesetzt hat und mit angespannte Lächeln erklärt, dass er vielleicht doch nicht noch mal fahren will (Ja Mum, ich weiß er ist erst 7, aber ER wollte ja unbedingt, nicht ich... ). Hurra!

Mitgenomen habe ich hier aus dem Park, dass die Chinesen doch oft innovativer sind als es auf den ersten Blick scheint. Sie habe z.B. das erste Frauenauto zur Serienreife gebracht! Cabrio, rundum sicher und wenn mal was schief geht, fällt von oben ein kleiner Hammer auf den Hinterkopf um sie zu erinnern, dass man sich zu hause schminkt und nicht im Rückspiegel vor einer grünen Ampel. So präpariert würde so mancher Bentleyfahrer seine Holde auch mal ans Steuer lassen...

Frauenauto1

So, das nächste mal über die anderen Aliens hier und warum man im Straßenverkehr unbedingt chinesisch fluchen können muss....

2
Sep
2010

Hühnerfleisch

Vielleicht mal wieder ein paar News aus Shanghai. Seit einer Woche sind Andrea und die Kiddies hier. Andrea gefällt es gut, es gilt ja auch unendlich viel zu entdecken und auszuprobieren. Niels verträgt die Trennung von seinen Freunden erstaunlich gut, kann sich aber mit den lokalen Köstlichkeiten wie den leckeren Dumplings mit nicht zu identifizierendem Inhalt, Entenblut Tofu, Schredderfrosch, Gräten mit ein bisschen Fisch dran, Hühnerfüßen oder Hühnerknochen ohne Fleisch (wo geht eigentlich das ganze Hühnerfleisch hin??) noch nicht so anfreunden. Kein Wunder wenn man sich vier Jahre ausschließlich von Leberwurstbroten ernährt wird die Wahl hier eng. Leif schwitzt sich pro Tag drei Liter Milch raus was einerseits gut ist, man spart Windeln, andererseits das Handling erschwert da er glitschig wie eine eingelegte Litschi wird. Aber er lacht wie immer und das ist prima.

Apropos Hühnerfleisch, das ist wirklich eine Frage, der ich mal bei Zeiten auf den Grund gehen muss. Grundsätzlich gilt in China:“ Das Fleisch am Knochen ist das süßeste“. Deswegen (oder schlichtweg aus purer Faulheit) wird hier jedes Tier komplett in Stücke gehackt mit einem schweren Beil platt gehauen, dass es nur so splittert und inklusive Gerüst verarbeitet. Soweit so gut. Nur, entweder sind hier alle Hühner Leptosomen oder Triathleten, denn die „Fleischbeilage“ besteht hier immer aus 90% Knorpel oder Knochen!? Ein heimlicher Blick auf die Teller der einheimischen Nachbarn entkräftet den Verdacht, dass nur immer ich als barbarischer Ausländer den harten Teil des Tieres serviert bekomme, der Chinese erfreut sich ebenfalls am Knochensplitter auf den Tisch spucken. Nicht falsch verstehen, das Essen ist hier wirklich außerordentlich gut, nur eben auch manchmal außerordentlich anders...

Ein wirklich spannendes Erlebnis ist es, mit kleinen blonden Babys das Haus zu verlassen. Der Anblick von meinem Sohn Leif mit güldenem Haar und den blauen Augen vom Opa veranlasst selbst hartgesottene Ordnungshüter von ihrer 250er Yamaha zu steigen ihn aus seiner Karre zu zerren, ordentlich durchzujuckeln und einmal ins Bäckchen zu kneifen. Er ist sicher auch das meistfotografierte Objekt in unserem Viertel. Besonders Teenager nehmen ihn ganz gern mal auf den Arm um sich von der besten Freundin mal als werdende Mutti ablichten zu lassen. Ich denke ich werde eine kleine Dose an seiner Karre befestigen und mir von meinen Arbeitskollegen ein Schild in chinesischer Sprache mit den Worten: "Ich nehme 1 RMB für 1 min herzen" anfertigen lassen. Er wird mehr Geld verdienen als sein Vater...

Drachen im Zhong Shang Park

Noch eine Geschichte über das Drachensteigenlassen:

Gestern war ich im Zhong Shan Park. Am WE herrscht dort reger Betrieb. Ältere Chinesen betreiben dort ihr Tai Chi oder man kann sie bei sonst recht merkwürdigen Bräuchen wie z.B. mit irrem Blick und weit abgespreizten Fingern rhythmisch klatschend im chaotischen Zickzack über Grünflächen springend beobachten. Sehr lustig. Aber noch viel wichtiger: Hier geht der gemeine Chinese seinem Lieblingssport nach, dem Drachen steigen lassen. Drachen steigen lassen ist hier kein Kinderkram, sondern eine extrem wichtige Angelegenheit. Wer hat den schönsten Drachen, wer kann ihn am höchsten steigen lassen usw. Es können dann schon mal 30-40 Drachen auf engstem Raum gleichzeitig in der Luft sein. An diesem Wochenende war auch ein Engländer da, der es offensichtlich auch mal probieren wollte. Er machte schon durch seine inseltypische EXPAT Freizeitbekleidung (kariertes Hemd, etwas zu kurze kurze Hose, braune Kniesrümpfe zu schwarzen Schuhen, Kippe im Mundwinkel) mächtig was her. Er baute also seinen neuen Drachen zusammen, lies Schnur, und rannte dann ohne Rücksicht auf Verluste (die hüpfenden Greise!) durch den halben Park mit dem Resultat, dass sein Drache raketengleich in den Himmel schoss. Jetzt kam hektische Aktivität unter den sonst gemütlichen chinesischen Profis auf. Durch unerwartete Scherwinde hatte sich nämlich unser englische Drache um die Schnüre der chinesischen Drachen gewickelt und drohte diese nun aus mehreren hundert Metern zum Absturz zu bringen. Sofort begann ein wildes Geschrei und chaotisches Gerenne. Unglaublicherweise haben sie es, einem Bändertanz gleich, geschafft dieses Wirrwar wieder aufzulösen. Unser Engländer hatte einen recht schwierigen Stand bei dieser Aktion...

Schöne Grüße aus Shanghai.

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